Geht doch! Oder doch nicht?

Wie schon in der Hinrunde können wir auch diesmal nach dem Spiel gegen den FC Bayern München keine Sendung aufnehmen. Der eine oder andere Spökenkieker kann sich daraus ja ein Muster malen, wenn es ihm gefällt. Oder es auch lassen.

 

Am Samstag, 23.04.2016, spielte Hertha gegen die Bayern. Das Ergebnis ist bekannt. Das Spiel endete 0:2 für den Gast nach Toren von Arturo Vidal in der 48. und Diego Costa in der 79. Minute.

Der Samstag begann für mich ohne jede Anspannung oder Erwartung. Ich konnte nicht das leiseste Kribbeln spüren. Offensichtlich hatte ich meine Aufregung mit dem Spiel gegen Dortmund aufgebraucht. Der Akku mit den positiven Emotionen war leer.

So kam es, dass ich im Laufe des Tages eine ausgewachsene schlechte Laune entwickelte. Anders als sonst nervten mich die Begleitumstände des Spiels: die Aussichtslosigkeit den Spielausgang betreffend, die vielen Rothemden mit sächsischem Zungenschlag, die die Stadt bevölkern. Mich nerven Berliner Väter, die ihre Kinder in Bayerntrikots stecken und Bayernfans in der S-Bahn, die schon vor Anpfiff nur über das am nächsten Mittwoch anstehende CL-Halbfinale gegen Atlético Madrid diskutieren und die drei Punkte in Berlin als schon eingesackt betrachten.

Mich nervt es, wenn Herthaner ihre Freunde in Bayerntrikot in den Mitgliedereingang mitnehmen und die Typen am Einlass das auch noch dulden. It’s the Hertha-Mitgliedereingang, for heaven’s sake.

Mich nervt es, wenn schon beim ersten Blick ins Stadionrund etwa eine Stunde vor Anpfiff offenbar wird, dass es wieder bunte Tribünen gibt. Dass es ist uns Herthanern nicht gelungen ist, das wunderbare Bild eines Stadions in Blau-Weiß ein zweites Mal in einer Woche hinzubekommen.

Mich nervt es, dass das Olympiasstadion voll sein muss, damit es lebt und atmet, aber dass gerade dann die infrastrukturellen Schwächen so richtig deutlich werden. Der Einlass ist eine Katastrophe, es gibt viel zu wenige Toiletten, und die Versorgung mit Essen und Trinken spottet jeder Beschreibung. Da ich mir nicht vorstellen kann, dass Hertha und der Caterer nicht gerne viel mehr Wagen und Verkaufsstände zur Verfügung stellen würden um damit Geld zu verdienen, muss das Hindernis wohl woanders liegen. Denkmalschutz? Rasenschutz?

Meine Güte, wenn das Olympiastadion etwas zur Genüge hat, dann ist das reichlich Platz ums Stadion herum innerhalb des kontrollierten Bereichs. Wiese bis zum Horizont. Aber anstatt dieses Pfund zu nutzen und Verkaufsstände und Klos draufzusetzen, pflegt der Stadionbetreiber lieber die englische Rasentradition. Derweil stehen sich zahlungswillige Besucher die Beine in den Bauch und kommen nicht ran; und lassen ihr Geld eben irgendwann einfach stecken und geben es woanders aus. Nur nicht im Olympiastadion.

Nochmal zum Einlass: mir leuchtet nicht ein, warum es nicht möglich sein soll, in den Zaun rund ums Stadion ein paar Löcher  zu schneiden, Tore einzubauen und dort weitere Einlassmöglichkeiten zu schaffen. Stattdessen stehen Sicherheitsleute an den Zäunen, bewachen die Sträucher und jagen Wildpinkler fort. Großartig.

Ich gehe also mit gut abgehangener schlechter Laune auf meinen Platz und nehme mir fest vor, mich vom Spiel nicht einnehmen zu lassen. Cool bleiben heißt die Devise. Die Bayern würden sowieso gewinnen. Es wird das übliche Bild geben, wenn Bayern oder Dortmund in Berlin spielt. Kreiselchen rund um den Berliner Strafraum und ab und zu ein Tor. Gegen uns. Also weit zurücklehnen im Stuhl und die Füße hoch und fest gegen das Geländer in Reihe Eins im Oberring gedrückt. Wenn schon Sitzplatzstadion, dann muss man die Vorteile auch ausnutzen. Schlechte Laune royale.

Die ersten Minuten vergehen und Hertha hält gut gegen. Ja klar, denke ich. Noch längstens weitere fünf Minuten und die Bayern machen ernst.

Komisch nur, dass die überhaupt nicht ernst machten. Denn es waren meine Jungens da unten, in Blau und Weiß, die den Bayern den Schneid abkauften. Sie hielten gegen und rannten sich die Seele aus dem Leib. Sie spielten, wie man es sich immer wünscht. Mit Herz und Leidenschaft, Mut und Übersicht. So ganz nach dem Motto: „Ihr seid der FC Bayern? Interessiert uns einen Scheiß. Wir sind die Geilsten, denn wir sind Hertha!“. Längst schon habe ich meine Sitzposition verändert und stecke den Kopf durchs Gitter und schimpfe auf den Schiri, wenn er Tascis Standschwierigkeiten mit einem Freistoß für Bayern belohnt.

Dass es die besseren Chancen für Bayern gab? Geschenkt. Viel war es nicht. Mutige Jungspieler wie Mittelstädt, Stark, Weiser und Ciğerci gaben auf Seiten Herthas den Ton an. Angstfrei und unbekümmert.

Die Bayern brauchten an diesem Tag einen abgefälschten Schuss, um auf die Siegerstraße zu gelangen. Der Sonntagsschuss von Costa kam noch obendrauf. Nix herausgespielt oder kombiniert. Verdient am Ende, gern geschehen, weil gerade nach dem 0:1 extrem souverän und passsicher. Aber so arschglatt wie sonst? Nö.

Und ich war überrascht zu sehen, wie dünnhäutig die sonst so abgebrühten Bayernspieler auf die aggressive, aber nie unfaire Spielweise der Herthaner reagierten. Vidal mit albernen Flugeinlagen und Meckerstakkato. Rafinha und Tasci mit großen Schwächen. Und immer wieder Gemecker und Gezeter.

Götze war regelmäßig nur dann zu sehen, wenn er sich bei Freistößen Herthas vor den Ball stellte, um eine schnelle Ausführung zu unterbinden. Und Lewandowski habe ich nur auf dem Aufstellungsbogen wahrgenommen.

Dass es dann doch nur für eine Halbzeit reichte lag vor allem daran, dass auf der anderen Seite eben der FC Bayern steht. Da genügt gegen Hertha auch die zweite Garde. Das wiederum ist dann schon ernüchternd.

Hertha hat noch viel Arbeit vor sich. Aber irgendwann wird es auch wieder Zeiten geben, in denen nicht von vornherein klar ist, dass Bayern als Sieger aus Berlin abfahren. Das hatten wir nämlich schon mal.

Abschließend: hätten wir das Spiel gegen Dortmund im Pokalhalbfinale mit der gleichen Spielweise ausgeglichener gestalten können? Nein, das glaube ich nicht. Die hätten uns vielmehr schon in der ersten Halbzeit zerpflückt und mit fünf Gegentreffern zum Pausentee geschickt. Dortmund war wesentlich stärker (oder hat die bessere Elf aufs Feld geschickt, was aber auf dasselbe hinausläuft) als die Bayern vom Samstag. Ich bin weiterhin der Meinung, dass Hertha gegen Dortmund das Beste aus den Möglichkeiten gemacht hat. Nur mit etwas Fortune hätte es reichen können. Das hatten wir leider nicht.

Wie geht’s weiter? Keine Ahnung. Auf der Leistung gegen die Bayern, aus der Leichtigkeit gilt es Mut zu schöpfen. Weiter so, Jungs, ihr könnt das, ihr seid gut genug für neun Punkte in drei Spielen. Ihr habt das schon mal geschafft gegen dieselben Gegner. Vor einem halben Jahr.

Und Shawn Kauter, arme Socke. Dir nur die besten Wünsche und gute Genesung. Komm bald wieder auf die Beine.

HaHoHe.

(/sir)

3 Gedanken zu „Geht doch! Oder doch nicht?

  1. Schicker Text und sogar objektiver als erwartet 😉 Neben der m.M.n. absolut richtigen Einschätzung des Spiels sprichst du mir vor allem mit deinen erwähnten Mängeln des Olympiastadions aber sowas von aus der Seele!

    Ganz ehrlich, wenn ich um ein Bier zu trinken mindestens auf 20 Minuten Fußball verzichten muss, hole ich mir eben eins nach dem Spiel auf dem Weg zur völlig überforderten Bahn. Neben den wenigen Ständen sind die vorhandenen nämlich auch noch unterbesetzt sowie die vorhandenen Mitarbeiter an der Zapfsäule scheinbar völlige Amateure… Schade Hertha, da könnte viel mehr Geld verdient werden (…Hertha bekommt doch mittlerweile wieder was ab vom Catering-Kuchen oder?)

    Zusammenfassend sage ich mal: das Lesen hat Spaß gemacht.

    1. Was die Situation in den Bereichen Catering und WC angeht, stimme auch ich zu. Die Toilettenbereiche sind, gerade in der Halbzeitpause, dramatisch überlastet. Auch das Catering kann man sich bei 50k+ Zuschauern getrost abschminken. Allerdings kann ich auch nicht behaupten, dass mir das Gebotene so sonderlich schmecken würde. Und das Light-Bier zu Risikospielen (Hüstel, welches Risiko?), ist sowieso ungenießbar.

      Bei den Bereichen Einlass und Transport sehe ich die Sache aber ein wenig anders. Wenn man rechtzeitig da ist, kommt man problemlos rein. Wenn man natürlich bei einem Spiel mit über 60000 Zuschauern erst kurz vor Anpfiff erscheint – tja, dann wird es eben eng. Und auch was den Abtransport nach den Spielen angeht, haben wir in Berlin eine unglaublich komfortable Situation. U-Bahn, S-Bahn, beides in recht dichtem Takt und gut erreichbar. Es gibt schlichtweg kein Stadion, welches bei solchen Zuschauermengen ein besseres Wegkommen ermöglicht. Ja, die Züge sind voll – aber es ist eine große Sportveranstaltung, da ist das halt so. Wer sich nicht drängeln mag, soll nach dem Spiel eben noch was trinken. Wer mal sehen will, wie es noch viel schlimmer geht, darf gerne mal den ÖPNV an der Allianz Arena in München ausprobieren. Dagegen leben wir im Paradies.

      1. Schöner Text, deckt sich weitestgehend mit meinen Eindrücken was Erwartungshaltung/Gemütslage vor dem Spiel, mieser Laune beim Betrachten der roten Invasion und Catering angeht. 😉

        Dennoch war ich positiv überrascht vom Auftritt und es kam dann in der 1. HZ doch schon etwas Spannung auf, weil wir irgendwie schon am Drücker und gut im Spiel waren. Am Ende finde ich, dass wir ein Remis schon verdient hatten. Die Gegentore waren doch sehr ärgerlich.

        Bezüglich ÖPNV kann ich Steffen nur zustimmen, ich war auch in einigen Stadien jetzt in Deutschland und das ist hier mit Abstand am Besten geregelt. Ich wüsste nicht, wo es so viele S-Bahnsteige gibt, die nach Spielende Züge bereitstellen + UBahn + Bus.
        Und wenn man nen Sitzplatz haben will, läufste die paar Minuten nach Pichelsberg und fährst dann entspannt stadteinwärts. 😉

        #hahohe

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